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3 Gründe, weshalb du keinen Low-Cut einsetzen sollst

basiswissen mixing Aug 18, 2018
3 Gründe, weshalb du keinen Low-Cut einsetzen sollst

In jedem zweiten Audio-Tutorial wird gepredigt, dass du bei jeder Spur, mit Ausnahme des Basses und der Kick-Drum, die tiefen Frequenzen mit einem Low-Cut entfernen sollst. Das gebe mehr Platz für die eigentlichen Bassinstrumente, denn die tiefen Frequenzen seien bei den meisten Klängen nicht relevant.

Die Folgen daraus sind, dass ich Mixe bekomme, bei denen die Hihats unter 2kHz nichts mehr aufweisen und die Gitarren durch die Beschneidung körperlos und fad wirken. Dazu kommt, dass im Mix seltsame Artefakte auftreten die kaum zu kaschieren sind.

Die folgenden drei Gründe verraten dir, weshalb der Einsatz eines Low-Cuts nicht immer die beste Idee ist.

 

Verlust der Einheit

Nehmen wir beispielsweise eine Hihat. Sie hat die Aufgabe in den hohen Frequenzen eine rhythmische Struktur zu spielen und somit eine Vorwärtsbewegung zu erzeugen.

Natürlich denkt sich manch einer: «Ich höre die Hihat im Gesamtmix sowieso erst ab den hohen Mitten, deshalb schneide ich alles was darunter liegt ab.»

Theoretisch ist das offensichtlich, praktisch ist es Unsinn. Eine echt gespielte Hihat weist locker Frequenzen unterhalb von 200 Hz auf. Es sind genau diese Frequenzen, die das gesamte Schlagzeug, sprich Bassdrum, Snare, Toms und Hihat verschmelzen lassen. Das ist mit der Grund, weshalb ein mit Mikrofonen aufgenommenes Schlagzeug organischer klingt als ein programmiertes.

Die tiefen Frequenzen der Becken, der Hihat und der Snare übersprechen auf andere Mikrofone. Du hast also die Metalle auch auf der Snare und Tom-Spur. Die vielgelobte Raumaufnahme beinhaltet auch alle Frequenzen und kittet das gesamte Schlagzeug zusammen.

Dein Beat kann noch so gut programmiert sein, wenn deine Sounds nicht ineinandergreifen und sich verschränken, wird das nichts mit dem Groove.

Dasselbe gilt natürlich für die Gitarren und den Bass, den Gesang und die Streicher, usw.

Natürlich kommt es vor, dass der Sänger bei seiner Performance sich am Mikrofonständer stösst und sehr tiefe Trittschall-Subbässe entstehen. Natürlich kannst Du dann einen Low-Cut bei 50Hz setzten. Ist die Resonanz jedoch höher, würde ich eine Automation mit einem Glockenfilter vorziehen.

Wenn du alle Frequenzen, die von lauteren Schallereignissen überlagert werden, weg filterst, wendest du, im weitesten Sinne, dieselbe Technik der psychoakustischen Demaskierung an welche auch der mp3 Codec verwendet.

 

«Was Du nicht hörst wird entfernt!» lautet die Devise.

Doch Vieles hörst du nicht, aber spürst es. Musik hat grösstenteils mit Emotionen zu tun und die spielen sich natürlicherweise in den tiefen Frequenzen ab. Es kommt nicht von ungefähr, dass grosse Konzerte und Kino-Events mehr berühren als eine Aufzeichnung im TV.

Viele kleine Details spielen sich im Tieftonbereich ab. Ein guter Mixing Engineer arbeitet eher mit einem Kuhschwanzfilter (Shelf-Filter) als mit Hochpassfilter. Es ist wichtig, dass die Grundfrequenz des Instrumentes spürbar ist, was uns direkt zum nächsten Punkt führt.

 

Veränderung der Klangfarbe

Die Klangfarbe eines Instruments ergibt sich aus der Stärke und Verteilung seiner Obertöne. Ein Ton ist im akustischen Sinne gar kein einzelner Ton sondern ein Gemisch aus verschiedenen Tönen die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Bei Blas- und Saiteninstrumenten sind das die sogenannten Harmonischen Obertöne, die immer einer ganzzahligen Vervielfachung des Grundtons entsprechen.

Bei der Addierung aller natürlichen Obertöne, entsteht ein Akkord. Und zwar ein alterierter Dominat-Sept Akkord. Deshalb gibt es auch den Quintenzirkel, da sich eine Dominante bekannterweise eine reine Quinte abwärts auflöst. Das nebenbei für die Musik-Theoretiker. Auch Musik ist nur Physik. Das hat keiner erfunden, das ist so von der Natur vorgeschrieben.

Bei Glocken, Stäben oder Becken treten Frequenzen auf, die keine ganzzahligen Verhältnisse aufweisen. Diese Unharmonischen Obertöne lassen dich keinen klaren Grundton erkennen, da sie schräg im gesamten Klangbild stehen. Und doch prägen sie die Klangcharakteristik genau so wie Harmonische Obertöne.

Du erkennst an der Mischung der Obertöne ob es sich um ein Dieselfahrzeug oder einen Zug handelt. Ob eine Kaffeetasse auf den Steinboden geprallt oder ob der Pappbecher vom Tisch auf den Teppich gefallen ist.

Wie du siehst, sind die Mischung und das Verhältnis der Obertöne sehr wichtig. Was passiert nun, wenn du einen starken Low-Cut setzt? Der Grundton und eventuell sogar einige erste, tiefe Obertöne werden abgeschnitten. Der neu empfundene Grundton rutscht in höhere Lagen und das Verhältnis der Obertöne verändert sich.

Hattest du vorher beispielsweise eine Obertonreihe bestehend aus einer harmonischen ganzzahligen Vervielfachung, entstehen unter Umständen unharmonische Obertöne.

Das gesamte Klangbild ändert sich und der mühsam designte Sound verliert seinen Charakter und seine Tiefe. Durch die Filterung der Bässe, verbiegst du den Klang deiner Musik was uns gleich zu einem weiteren Nachteil des Hochpassfilters führt.

 

Phasenauslöschungen

Jedes Filter bewirkt Phasenrotationen. Bei einem Glocken- oder Kuhschwanzfilter Variiert die Stärke je nach Bandbreite und Amplitude. Bei einem Glockenfilter verändert sich die Phasenlage neben dem Scheitelpunkt, beim Kuhschwanzfilter an der Grenzfrequenz. Beide fallen danach gleichmässig in Normallage.

Beim Low- oder High-Cut Filter sieht das anders aus. Das gesamte Signal wird um 360º gedreht, wobei es bei der Grenzfrequenz eine Phasenlage von 180º aufweist. Auf der Grafik siehst du, wie die Phasenrotation allmählich zunimmt, bis sie an der Grenzfrequenz eine Phasenrotation von 180º erreicht. Danach springt die Kurve vertikal nach unten, was nichts andres bedeutet, als dass die Rotation von +180º auf -180º springt, was mathematisch gesehen dasselbe ist. Danach bewegt sich die Phasenlage wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Die Phasendrehung vollzieht also eine 360º Rotation.

Ein Hochpassfilter kann unter Umständen genau das Gegenteil von dem bewirken, was du vor hattest, nämlich die Bassfrequenzen eines Instrumentes besser hörbar zu machen, in dem du bei anderen Schallquellen tiefe Frequenzen entfernst. Durch die Überlagerung der Bassfrequenzen mit der phasengedrehten Schallquelle, entstehen Auslöschungen rund um die Grenzfrequenz. Setzt du nun mehrere Hochpassfilter ist das Phasen-Chaos vorprogrammiert. Das biegt auch der begabteste Mastering Engineer nicht gerade.

Ausserdem ist die Phasenlage eines natürlichen Klangs in sich perfekt abgestimmt. Eine Änderung der Phasenlage in einem bestimmten Frequenzspektrum entspricht nicht unseren natürlichen Hörgewohnheiten, die uns sein Millionen von Jahren antrainiert wurden. Unser Gehirn muss die Fehlinformationen kompensieren und dein Mix wirkt ermüdend und anstrengend.

 

Fazit

Der Spruch «Entferne alle Frequenzen in den Bässen, die nicht zu Bass oder Kick gehören» ist mit Vorsicht zu geniessen. Willst Du einen natürlichen Mix, dann lass die Schallquellen grösstenfalls so, wie sie natürlicherweise klingen. Das heisst nicht, dass Du nicht filtern und equalizern sollst, aber benutze den Low-Cut als letzten Ausweg. Arbeite lieber mit Shelf- und Bellfiltern, Siedechainig oder dynamischen Equalizern. Automation ist ein mächtiges Werkzeug. Mache Gebrauch davon. Lass dem Instrument seinen Körper und seine Wurzeln, nur so wird dein Mix berühren und Emotionen wecken.

Trulli Trulli 

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