Welche Kompressor Typen gibt es?
Sep 24, 2019Thom, welcher Kompressor Typ eignet sich für den Gesang? Wie muss ich den Kompressor einstellen, damit die Gitarren knackig klingen? Welchen Kompressor muss ich für die Kompression meiner Schlagzeug-Gruppe verwenden?
Solche Fragen werden mir täglich gestellt. Ich kenne das Problem sehr gut, denn ich war früher auch verunsichert. Nachdem ich endlich die Wirkungsweise eines Kompressors begriffen und gelernt habe, war ich vom Überangebot an Hardware und Plugins total erschlagen.
Ich fragte mich: «Weshalb brauche ich verschiedene Kompressoren? Sind die Unterschiede wirklich so gross? Lohnt es sich, das Hundertfache für einen Hardwarekompressor auszugeben?»
Mir blieb nur eine Wahl, um Gewissheit zu bekommen: Alle Kompressor Typen ausprobieren!
In den letzten 10 Jahren habe ich mich nun zu einem Kompressor-Nerd entwickelt und testete so viele Kompressoren wie nur irgend möglich. Ich kenne nun die Anwendungsgebiete der einzelnen Units und weiss wann ich welchen Kompressor mit welchem Setting einsetzten muss.
Leider wirst du auch nicht darum herum kommen, so viele Kompressoren wie möglich zu vergleichen. Das schwierigste ist immer noch, die tatsächliche Arbeit des Kompressors zu hören. Das musst du üben. Doch wenn du viel mit Kompressoren arbeitest, wirst du bald auch ein Experte werden.
Um dir die Arbeit ein wenig einfacher zu machen, habe ich dir die Charakter der verschiedenen Kompressoren Typen beschrieben und deren Einsatzgebiet eingegrenzt:
VCA Kompressor– Das Schweizer Taschenmesser – Scharf und auf alles vorbereitet
VCA (Voltage Controlled Amplifier) Ist die meist verwendete Kompressorschaltung. Sie besteht aus einem Chip mit Transistoren der die Kompression steuert. Der VCA Kompressor kann von schnell über moderat bis langsam wirken, ist sehr transparent und eignet sich für beinahe jedes Material. Da er sehr klinisch klingt, färbt er das Audiomaterial nicht oder sehr wenig.
Beim VCA Kompressor sind alle Regler vorhanden: Threshold, Ratio, Attack, Release und Gain.
Vertreter dieser Gattung sind:
Vertigo Sound VSC-3
Tegeler Audio Manufaktur Crème
Tegeler Audio Manufaktur Crème
Rupert Neve Portico II Master Bus Processsor
Rupert Neve Portico II Master Buss Processor
Tipp: Bei Hardwaregeräten sind die Transformatoren mitunter das Teuerste und auch eines der Bauteile, die den Klang am meisten beeinflussen. Seht gute Transformatoren werden von Jensen, Lundahl oder Carnhill gebaut. Solche werden auch von renommierten Firmen wie API und Neve eingesetzt.
FET Kompressor – Der Rambo Überlebensdolch – gnadenlos mit speziellen Merkmalen
Der FET Kompressor ist eine Unterart des VCA Kompressors und verwendet einen Feld Effekt Transistor zur Lautstärkeregelung. Dieser ist sehr schnell und schleift die Kanten des Audios zuverlässig ab. Der FET Kompressor verzerrt das Signal, wegen seiner speziellen Einschwingkurve, auf eine sehr angenehme Art. Die entstehenden harmonischen Obertöne geben dem Audio Präsenz und Durchsetzungsvermögen. Fürs Mastering eignen sich die Kompressoren eher selten, da sie keine langsamen Attacks erlauben und das Audiomaterial zu stark färben, trotzdem findest du Exoten, die sich dieser Bauteile bedienen.
Der FET Kompressor besitzt meist keinen Thresholdregler. Das bedeutet, dass der Schwellwert fix eingestellt ist und du mit dem Input die Stärke der Kompression bestimmst. Mit dem Output Regler gleichst du das Signal in der Lautstärke dem Eingangssignal an. Berühmt geworden ist der FET Kompressor durch seinen « All Buttons-» oder «British Mode», bei dem du alle Ratio-Knöpfe gleichzeitig drückst. Dabei entsteht eine sehr starke Kompression mit speziellen Attack- und Release Kurven.
Exemplare des FET Kompressors sind:
UREI 1176
Drawmer 1978
Empirical Labs Distressor
Röhrenkompressoren – Das Steakmesser – von zart bis grob
Röhrenkompressoren bedienen sich vorwiegend der Vari Mu Schaltung. Dabei ist die Ratio abhängig vom Threshold. Deshalb besitzt der Vari Mu keinen Ratio Regler. Je stärker der Threshold überschritten wird, desto höher ist die Ratio, also das Verhältnis von Input und Output. Stelle dir ein Gummiband vor, welches zwischen zwei Bäumen gespannt ist. Du drückst nun mit einem Ball gegen das gespannte Band und spürst einen Gegendruck. Je stärker du gegen das Band drückst, desto so grösser wird der Gegendruck. Mit dem Kompressor verglichen, ist das Drücken die Amplitude und der Gegendruck die Ratio.
Der Vari Mu Kompressor gehört nicht zur schnellsten Sorte sondern bewegt sich eher im Mittelfeld. Dennoch kann er das Audiosignal dezent komprimieren oder brachial zusammenstauchen. Durch die Variable Ratio entsteht eine sehr musikalische Kompression, die sich fürs Mastering hervorragend eignet. Dieser Kompressor verleiht dem Signal viel Charakter und Tiefe. Durch die Röhren werden gerade harmonische Obertöne erzeugt was das Signal andickt und mächtiger erscheinen lässt.
Vertreter des Vari Mu Kompressors sind:
Manley Vari Mu
Fairchild 670
Knif Pure Mu
GUT ZU WISSEN: Röhren erzeugen Obertöne in den hohen Regionen des hörbaren Frequenzspektrums. Deshalb klingen Röhrenmikrofone sehr luftig und präsent. Möchtest du in den Tiefen Frequenzen Obertöne hinzufügen, greife auf Transistoren zurück. Einige wenige Softwarehersteller haben sich an das Modelling von Transistoren herangewagt; was sich aber als sehr schwierig herausstellt, da Transformatoren nichtlinear sind. Du kannst deshalb keine Impulsantworten verwenden, sondern musst die gesamte Schaltung als Physical Modelling programmieren. Universal Audio und UBK stellen Emulationen von Hardwaregeräten her, die den Transformator mit modellieren (z.B. API 2500 von UA oder Omega von Kush Audio).
Der Optokompressor – Das Buttermesser – weich und sanft
Der Opto Kompressor regelt die Kompression mit einer Fotozelle. Stelle dir eine Glühbirne oder Leuchtdiode vor, deren Helligkeit mit der Spannung des Steuersignals übereinstimmt. Über eine Fotozelle wird die abgestrahlte Helligkeit gemessen und je nach Lichtstärke auf die Kompression übertragen. Da solch eine Lichtquelle eine gewisse Zeit braucht um zu leuchten und auch ein wenig nachglüht, ist der Optokompressor sehr langsam. Er besitzt meist nur zwei Regler. Den Input mit dem du einen fixen Schwellwert ansteuerst und den Output, der das komprimierte Signal wieder auf die Ursprungslautstärke anhebt. Die Ratio liegt bei einem Optokompressor bei 2:1, nur sehr spezielle Units erlauben dir verschiedenen Ratios auszuwählen. Opto-Kompressoren werden vor allem während des Mixing Vorgangs eingesetzt. Nur eine Hand voll Opto-Exoten tummeln sich in der Mastering-Welt.
Opto Kompressoren findest du eher selten:
Teletronix LA-2A
Tube-Tec CL 2A
Airfield Liminator
Der Zener Limiter – Das Metzgerbeil – hart und schonungslos
Eine ganz eigene Gattung bilden die Zener Kompressoren. Diese steuern die Reduktion der Lautstärke mit Hilfe einer Zener Diode. Diese Diode hat die Eigenheit ab einem gewissen Pegel (Voltzahl) durchlässig zu werden. Beim Überschreiten des Thresholds greift er ziemlich hart ein. Deshalb haben wir es hier eher mit einem Limiter, statt mit Kompressor zu tun. Trotzdem hat er eine gut regelbare Attack- und Relesezeit, welche dir erlauben die Transienten schön aufzufrischen und gewisse Signale brillanter und durchsetzungsfähiger zu machen.
Du findest nicht viele Zener Limiter auf dem Markt:
Chandler Limited TG 12413
Gem Audio Labs Preceptor model-A
Gem Audio Labs Preceptor model-A
Multiband Kompressor – Das Skalpell – scharf und präzise
Der Multiband Kompressor ist eine Unterart des Single Band Kompressors. Dabei wird das Frequenzband in mehrere Bänder unterteilt, die unabhängig voneinander komprimiert werden können. Mit einem Multiband Kompressor kannst du Mixfehler beheben und nur gewisse Teilaspekte des fertigen Mixes bearbeiten. Beispiele sind:
- Zu laute Bässe und Kicks
- Sehr prominente Snares
- Stark zischende Höhen
- Zu harsche Mitten
Bei der Entwicklung des Multibandkompressors spielen die Filter, welche die Bänder eingrenzen, eine zentrale Rolle. Diese Filter wirken als Frequenzweiche und müssen penibel aufeinander angestimmt sein. Doch da befinden wir uns wieder in einem altbekannten Dilemma. Benutzen wir einfache Filter die eine Phasenrotation erzeugen, entstehen Phasen-Auslöschungen nahe der Grenzfrequenzen. Benutzen wir Linearphasige Filter, müssen wir mit dem Pre-Ringing klarkommen. Du hast also die Wahl zwischen der Pest und der Cholera. Trotzdem ist der Multibandkompressor ein Spezialist, der in jedem Mastering Studio zu finden ist und es gibt exzellente Vertreter im Soft- wie auch im Hardwarebereich.
Hardware:
Tube-Tec SMC 2BM
Maselec MLA-4
Drawmer 1973
Software:
Universal Audio Precision Multiband
Universal Audio Precision Multiband
Fabfilter Pro-MB
Leapwing Audio DynOne
Das Einstellen eines Multibandkompressors unterscheidet sich nicht gross von dem eines Singlebandkompressors. Nur musst du jedes Segment des Frequenzspektrums einzeln komprimieren. Deshalb kannst du die Attack und Releasezeiten dem Frequenzmaterial anpassen. Komprimierst du das Bassband, brauchst du eine lange Attackzeit, damit der Kompressor nicht schon auf die einzelnen Ausschläge einer Periode Reagiert. Beispielsweise brauchen 20Hz ganze 50ms Zeit, um eine ganze Schwingungsperiode auszuführen. Stellst du den Attack unter 50ms, reagiert der Kompressor schon auf die Amplitudenunterschiede in der Periode und beginnt deshalb zu verzerren. Bei höheren Frequenzen wie zum Beispiel 4kHz, benötigt es nur noch 0.25ms um eine gesamte Periode zu durchlaufen. Du kannst deshalb mit kürzeren Ein- und Ausschwing-Phasen arbeiten.
Verzerrtes Audio wegen zu schnellem Attack